Ferdinand Freiligrath             Bescheidene Bitte

1810 – 1876

Zwei lange Nächte lang war er nun der Eure!

Der Glückliche! Bei Gott, ich möchte wissen,

Wie oft ihr ihn bedeckt mit euren Küssen,

Und wie er sich dabei geniert, der Teure!

 

Nicht wahr, sein Kuß litt eben nicht an Säure?

Der süße Schelm! Er hat euch nicht gebissen?

Er war doch stets verliebt und kußbeflissen?

Dazu rasiert, daß euch der Kuß nicht scheure?

 

Ja, das ist wahr, er hat besondre Gaben;

Doch - alle Freude muß ihr Ende haben,

Und somit auch dies hölzerne Pläsier!

 

Drückt ihn noch einmal fest an Mund und Wangen,

Dann aber sendet meinen lieben langen

Amerikaner flugs nach Hause mir!

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Bruder Jonathan

1810 - 1876

Du, mehr als Stein! Kaltherziger Barbar!

Ilumaniorum nennst du dich Professor?

O Lug und Trug! Wir wissen´s jetzo besser -

Ein Wilder bist du, des Gefühles bar!

 

Geh´! eine Rothaut pack´ am schwarzen Haar!

Skalpire sie mit wohlgeschliffnem Messer!

Nimm dann ein Sitzbad, grauser Menschenfresser,

In deiner Heimath grausem Niagar!

 

Blut-, Sitz- und Voll-Bad - das nur kann dir dienen!

Beweis: du sah´st, und liebtest nicht Gallinen!

Welch ein Verbrechen, Transatlantikus!

 

Wer das begeh´n kann - wo er immer wohne -

Er ist entmenscht, ist wild und ein Hurone.

Und nimmer rührt mich sein "Excelsius."

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Der Nachtigallen Flügel

1810 - 1876

Wo Laura´s Fels emporstarrt aus den Wogen

Und neckisch wiedergibt des Rufes Schall,

Entzückt´ im Lenz uns eine Nachtigall,

Wenn Luna lauscht´ am blauen Himmelsbogen.

 

Wie tief in´s Herz die Schmeicheltöne zogen!

Bald flüsternd wie der trauten Quelle Fall,

Bald jubelnd, schmetternd, gleich der Lerche Hall,

Bald klagend wie um Hoffnung, die betrogen.

 

Der sommer hat dich, Süße, mitgenommen;

Ach, Andern tönt nun dein Zaubersingen!

Und blieb allein der Nachtigallen=Flügel.

 

Doch er ist still und stumm, und kein Geflügel

Des Philisteriums vermag ihn, zu erklingen;

Die Seele fehlt, - ja, du mußt wiederkommen!

 

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Der neue Jakob

1810 - 1876

An blauen Seen durch klösterliche Hallen

Im fernen Oestreich wandelt ein Poet;

Auf seiner Stirn mit ernsten Lettern steht

Ein ernstes Wort: "Ich bin der Lieb´ verfallen!"

 

Auch ist es klar, er leidet an der Gallen!

Tief liegt sein Aug´, und funkelt nimmer stet;

Der Lippe Bartschmuck hat er grimm zerdreht,

Mit Zittern liest er, was wir ahnend wissen.

 

Da kommt ein Brief. Rasch wird er aufgerissen,

Die kalten Blätter glüh´n von seinen Küssen,

Mit Zittern liest er, was wir ahnend wissen.

 

Dann ruft er aus: "Sie ist die 2te Staël!

Sei sie nun sonsten Lea oder Rahel -

In sieben Jahren ist sie mein Gemahel!"

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Der verliebte Steuermann

1810 - 1876

Der Palinur der Kölner Feuerschiffe -

Sebastian Kimpel nennt ihn Sankt Goar,

und rühmlich steuernd fährt er Jahr auf Jahr

Durch Oberwesels und der Lurelei Riffe! –

 

Er kennt den Rhein und seine Kniff und Pfiffe!

Doch jüngst, o Wunder, schwebt er in Gefahr;

Fast trieb sein Boot auf spitzer Felsen Schaar,

So traumhaft lenkt´ er's mit zerstreuten Griffe.

 

Die Passagiere schalten: "Mit Verlaub!

Sebastian, ist das der Weg nach Caub?

Eh´r, als zur Pfalz, führt dieser Cours nach China!"

 

"Ja, Donnerwetter!" rief der Palinur,

" Die sieben Jungfern! - einer dacht´ ich nur!

Das kommt davon! Ich dacht an die Gallina!"

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Der weibliche Saturn

1810 - 1876

Die Sonne stach mit sommerlichem Feuer,

Da saßen wir, vom Bergesklettern matt,

Hoch auf des Felsens moosßger Trümmerstatt,

Ein Mahl zu halten unter dem Gemäuer.

 

Zu anderm Guten hatten wir auch Eier.

Gallina rief: "Wohl dem, der Eier hat!

Ein Ei´chen noch! Ich bin der Nimmersatt!

Geh´n macht App´tit!" - und schluckte wie ein Reiher.

 

Da trat, im Antlitz unverstellten Gram,

Gefertigter, der gern die Wahrheit stottert -

Vor das Gedeck gallinae trat er hin

 

Und als er sah mit Zürnen und mit Scham

Die Schalen alle, die sie schon entdottert,

Da sprach er dräuend: "Kindesmörderin!"

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Die verzweiflungsvolle Baßgeige

1810 - 1876

Ein Künstler sang auf seinem Instrumente,

Gallina! dir von Liebes-Weh und Lust.

Es war so eng, so voll ihm in der Brust,

Wie, von dem Füllsel, der gebrat`nen Ente.

 

Er both sich selbst ihr an als Lebensrente,

War halb schon seines Sieges sich bewußt;

Doch ehe noch sein Liebessturm verpußt,

Verfiel er eines Dämpfers Regimente.

 

Verzweiflung packt den Aermsten bei dem Kragen;

Er will hinab in Goar´s Flutgewirre,

Ihn schnell zurück nach Ihlium zu tragen.

 

Ob Freundschaft warnt, daß Lurley ihn nicht irre,-

Er stürzt - in die Kajütt - und legt - welch´ Wagen! -

Ein Butterbrot als Pflaster auf den Magen.

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Henne und Hähnin

1810 - 1876

Du hättest dir zum Vorbild auserlesen

Die Hähnin, die sich spreizt als Doppelhahn?

Nothnagel sagt´s. Wie -? trat er in den Thran,

Daß er so sehr verkannte Beider Wesen -?

 

Nein! Du bist echte Henne stets gewesen,

Doch Sie, mit Kamm und Sporn, ein Mann im Wahn,

Wühlt keck mit ihres Schnabels spitzem Zahn

In Haferspreu von Weltschmerz und von Thesen.

 

Bleib du, mein Hühnchen, treu auf deinem Neste,

Und lege viel der blanken, schmucken Eier!

Poularden=Hahnenschrei klingt nicht auf´s Beste;

 

Ich setz´ auf ihn im Wettkampf keinen Dreier

Die Hühner, die ins Freie sich vermessen,

Gieb Acht! Sie werden leicht vom Fuchs gefressen.

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Künstlerlohn

1810 - 1876

Als Lurley jüngst erwacht zu neuem Leben

Und Alles rings umher in Zauber wiegt,-

So mancher kam und sah und - ward besiegt,

Haucht seine Seele aus vor ihr mit Beben.

 

Ein Maler auch in´ s schöne Reich der Reben,

Aus Sachsenland auf Hoffnungschwingen fliegt,

Doch bald auch er zu ihren Füßen liegt;

Nur Sie war seiner Kunst noch würd´ges Streben.

 

Ihr Bild, in´ s wunde Herz ganz eingesogen,

gab wundertreu er wieder in den Rahmen.

O, Guter wie dein Herz dich doch belogen!

 

Sie nahm so Bild, als Herz, und dankt gewogen;

Dann dreht sie lachend um des Künstlers Namen

Und sprach: flieg hin, woher Du kamst geflogen!

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Nach dem Bade

1810 - 1876

Des Rheines Wellen eben erst entstiegen,

Am offnen Fenster stand die Nachtigall;

An Venus mahnend, die aus Fluthkrystall,

Gleich ihr, sich hob zu ewgen Liebessiegen.

 

Ihr feuchtes Haar ließ sie im Winde fliegen;

Lang floß es nieder, wie ein Wasserfall -

Da sah sie plötzlich zu Trompetenschall

Um´s Eckhaus dort ein Fähnlein Reiter biegen.

 

Von ihren Rossen wirbelnd stieg der Dampf;

So scharfen Trabens ging´s nach Grimlinghausen,

als lockte sie ein ernstlichheißer Kampf.

 

Da rief ein Pferd - nein, nicht doch, ein Husar!

Hinauf zum Fenster im Vorüberbrausen

Rief er: "Wie scheen! mit ufgeleestem Haar!

 

 

 

 

Ferdinand Freiligrath             Verkehrte Welt

1810 - 1876

Ein prächt´ger Kerl, der ritterlich Hahn!

Auf seinem Hof, umringt von seinen Hennen,

Die seinen Tritt, gleichwie sein Treten, kennen,

wie kräht er muthig: "Wer was will, komm´ an!"

 

Ein respektabler, kratziger Kumpan!

Wie seine Weiber hastig ihn umrennen!

Wie sie von Eifer, ihm zu dienen brennen!

Er aber thut, als läg´ ihm gar Nichts dran.

 

Wer ist gewillt, das Widerspiel zu schauen?

Dort auf dem Hofe fünfundzwanzig Frauen,

In ihrer Mitte Ein Gebieter nur!

 

Und hier Gallina! Freudiglich und wacker

Auf ihrem Nestlein sitzt sie mit Gegacker,

und zwanzig Hähne machen ihr die Cour.